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filmwolf
Posting Freak Beiträge: 22 Angemeldet: 7.1.2002 Status: Offline
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erstellt am: 30.3.2002 um 13:48 |
Der Neuste von Istvan Szabo: es geht um die Untersuchung Furtwänglers, der Leiter der Berliner Philharmoniker während des Dritten Reiches, im Rahmen der nach dem Kriege stattfindenden Eigungsprüfungen.
Ein reiner Dialogfilm mit klasser Besetzung, klasse Dialogen, der keine Sekunde langweilig wird.
Der Film nimmt Stellung und zwar für Furtwängler und gegen die Amerikaner, die bisweilen in die Nähe böswilliger Agitatoren gerückt werden - ohne dabei undifferenziert zu werden.
Vielen scheint es entgangen zu sein, aber der Film ist dadurch höchstaktuell... |
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walt
Administrator Beiträge: 283 Angemeldet: 8.1.2002 Status: Offline
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erstellt am: 1.4.2002 um 00:23 |
Klingt interessant der Tausch der Rollenmuster Gut-Böse. Jedoch scheint Szabo die Umsetzung nur recht holprig gelungen zu sein:"Szabos Regie ist holprig im Schnitt und künstlich im Licht, seine Vision vom zerstörten Berlin eine fast schon dilettantische Kulissenschieberei" Uwe Mies Auch scheinen emotionale Hinter- und Beweggründe öfter auf der Strecke geblieben zu sein:Aber das Ammenmärchen, dass die Kunst höher steht, als die Politik, ist etwas zu schlicht. Szabó stellt Fragen, ohne zu antworten. Rüdiger Suchsland Obwohl beide sich inhaltlich weitgehend einig sind, haben sie den Film als Ganzes wohl nicht als vollkommen gelungen empfunden. Kannst du deren Kritik nachempfinden, oder ist das bei den beiden nur der übliche Zwang unbedingt kritisieren zu müssen, wo es gar nichts zu bemängeln gibt?
____________________ Das Recht auf ein gescheitertes Leben ist unanatastbar! (Amélie Poulain) |
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filmwolf
Posting Freak Beiträge: 22 Angemeldet: 7.1.2002 Status: Offline
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erstellt am: 26.8.2004 um 03:06 |
"Szabos Regie ist holprig im Schnitt und künstlich im Licht, seine Vision vom zerstörten Berlin eine fast schon dilettantische Kulissenschieberei"
Dies ist eine Kritik an der Umsetzung, nicht der Aussage.
Szabos Film beruht auf einem Theaterstück Harwoods. Eben dieser Harwood hat auch das Drehbuch zum Film verfasst. So ist es kein Wunder, dass der Film wie ein Bühnenstück wirkt. Dass die Personen recht statisch in den Kulissen wirken und keine rechte Bindung zu ihnen entwickeln, kann ich unterschreiben. Allerdings ist das nicht wesentlich für den Film wie es das etwa für die Klassiker der Nachkriegs- oder Trümmerfilme ("Mörder sind unter uns") waren. Dort wurden die Trümmer zu einem stummen Akteur hochstilisiert. Wichtig war diesen Filmen einmal, den Zuschauern das Ausmaß dieser Zerstörung vor Augen zu führen als auch ihre Überwindung (noch im Sinne der re-education, aber schon auch im Sinne des moralischen Wiederaufbaus).
All das hat Szabos Film nicht zum Gegenstand. Ihm geht es weniger um die Zerstörung als darum, was VOR der Zerstörung lag. Ihm geht es auch nicht darum zufragen, wie es zur Zerstörung kam. Ihm geht es, wenn man so will, auch nicht um äußere Zerstörung, sondern um die innere, moralische Zerstörung. Und ihm geht es nicht um ein kollektives, sondern ein individuelles Schicksal.
Szabos Film ist ein Schauspieler-Film, der sich ganz dem Sprechtheater verpflichtet fühlt. Licht, Schnitte, Ausstattung und Kulissen ordnen sich vollkommen der Charakterzeichnung unter. Vergleichbar ist der Film in dieser Beziehung etwa mit dem "Totmacher".
Was Licht und Schnitt anbetrifft, halte ich solche Dinge für zu geschmäcklerisch als einen Film nur darüber ABzuurteilen. Man kann einen Film loben wegen gelungener Schnitttechnik oder Lichtsetzung, man kann ihn bei dessen Mißlingen tadeln, aber man kann keinen Film ALLEIN deswegen ablehnen. Grenzfälle sind natürlich eingeschlossen, nämlich wo sich Licht und Schnitt andauernd gegen die Intention des Regisseurs wenden.
Dies ist jedoch bei Taking Sides ganz sicher nicht der Fall (wie ich bereits oben schon sagte).
Aber das Ammenmärchen, dass die Kunst höher steht, als die Politik, ist etwas zu schlicht. Szabó stellt Fragen, ohne zu antworten. Rüdiger Suchsland
Jaja, der Merkurische Herr Suchsland hat wieder einmal schnell für den 3-Uhr-Umbruch eine Kritik aus der Hüfte gefeuert, tse, tse, tse...
Nun, dazu sollte Herr Rüdiger den Film doch nochmals genauer ansehen. Worauf würde er stoßen?
Nun, erstens dass genau die von ihm gebrachte Aussage eben auf dem Prüfstand des Filmes steht und am Ende eben als Ammenmärchen entlarvt wird.
Gerade die schuldhafte Verstrickung eines an ein solches Ammenmärchen glaubenden Menschen/Künstlers ist ja Gegenstand des Dramas. Es geht um die Frage, wie wahres Leben im Falschen möglich ist, also wie man in einem Unrechtssystem nicht selbst zum Täter wird (so ähnlich auch Szabo selbst zum Grundmotiv des Films).
Dies als schlicht zu bezeichnen, zeugt eher von der Geistesschlichtheit heutiger Rezensenten.
Taking Sides zeigt nicht nur eine mögliche Strategie auf: die Furtwänglerische Strategie des stillen wie fruchtlosen Widerstands wird denn auch als naiv bis egoistisch kritisiert, daneben gibt es jedoch noch den regelrechten anbiedernden Opportunisten und Intriganten (Zweiter Geiger) und dahinter scheint noch die des speichelleckenden Karrieristen auf (Herbert Karajan, das treue NS-Parteimitglied, er wird am Kriegsende die Berliner Philharmoniker von Furtwängler übernehmen).
Sehr einfühlsam und eindringlich wird das Thema der Verstrickung mit jeder Szene immer weiter und tiefer entwickelt und am Ende steht nicht die Kunst über der Politik, sondern es thronen die Werte wie Aufrichtigkeit, Menschlichkeit und Integrität über dem politischen System. Denn, so der Film, jedes politische System verlangt von seinen Mitgliedern Unterwerfungsgesten, auch und gerade das (damals) neue amerikanische, und jedes politische System basiert auf einer Schwarz-Weiß-Ideologie, zu der sie die Untertanen verpflichten will.
Und am Ende stehen in Taking Sides vor allem keine kollektiven Fragestellungen im Vordergrund: während Harvey Keitels (Ankläger) Propagandafilme die kollektive und ewigliche Bösartigkeit der Deutschen beschwören, stellt sich dem Zuschauer in der Person Furtwänglers ein anderes, differenzierteres Bild geschichtlicher Wirklichkeit dar.
Die Kunst in Szabos Film besteht nun gerade darin, durch den subjektiven Perspektivenwechsel die Deutschen nicht von ihrer Schuld zu exkulpieren. Ganz im Gegenteil: sie fordet sie nochmals vors Tribunal und fragt einmal historisch und einmal hypothetisch: wie hast du dich denn damals verhalten; und: wie würdest du dich denn heute verhalten?
Dass diese Fragen nicht platt hollywoodlike in einem Widerständler-Mythos oder in einer Fabel vom bös-teuflischen Deutschen beantwortet werden, ist gerade die Stärke einer differenzierten Perspektive von Taking Sides. Wer diese Antworten haben will soll sich die amerikanischen Nachkriegsfilme wie "Das Urteil von Nürnberg" oder die deutschen Widerstandsfilme ansehen, da bekommt er die klaren Antworten.
Taking Sides zeigt keinen Widerständler-Helden und keinen Handlanger des Teufels, sondern einen gebrochenen Mann. Und es zeigt auf der moralischen Seite vor allem keinen guten oder bösen Übermenschen, sondern einen moralischen Jedermann, dessen Begabung, aber auch selbstverliebter Egoismus ihm zum Verhängnis wird. Taking Sides kriecht hinein in die Gefühlswelt Furtwänglers und entwirft ein Psychogramm einer zutiefst verunsicherten Persönlichkeit. Demgegenüber erscheint Harvey Keitel, der amerikanischer Ankläger, als kraftstrotzender wie -protzender Kleingeist, für den alle Antworten (vor allem die Schuldfrage) schon feststehen: die einfache Wahrheit, dass wer an Hitlers Geburtstag Konzerte spielt, ein Nazi ist , ist eben genauso beschränkt und beschränkend wie die, dass alle Wagner-Fans Faschos sind.
Gut, die Antworten sind nicht klar, aber die Art wie Szabo die Fragen stellt und inszeniert, bereiten sie den Boden für ihre Beantwortung. Solche Filme sind Analysen, die versuchen, erst einmal die verknäulten Fäden zu entwirren und in wenigen Strängen vor uns auszubreiten.
[Editiert am 26/8/2004 von filmwolf]
[Editiert am 26/8/2004 von filmwolf] |
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