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Autor: Betreff: i robot

Posting Freak





Beiträge: 22
Angemeldet: 7.1.2002
Status: Offline

  erstellt am: 10.8.2004 um 22:54
Guter Streifen!

Endlich mal wieder ein Massenfilm, der allen AnsprĂŒchen genĂŒgt:
intelligentes und spannendes Drehbuch, gute Charaktere und Schauspieler, super Design und Ausstattung und perfekte Actionsequenzen - WOW!

Der Film erschöpft sich nicht im simplen "Kill Bill...Àh, ich meine .. the robots", sondern stellt bis zum Schluss intelligente Fragen, wenn er sie auch nicht beantworten kann (und auch nicht will, weil das nicht Gegenstand eines Action-Movies ist).


i robot schafft es sich weder im bloßen ironischen Zitieren von Filmtopoi noch in deren platten Wiederholung zu erschöpfen.


Deswegen bricht er auch als erster SF-Movie konsequent aus der Einfalt des PhĂ€notyp=Genotyp-Schemas aus: böse ist im Film gemeinhin das, was böse aussieht oder was bestimmte Ă€ußerliche Merkmale aufweist, die immer wieder als böse eingetrichtert werden.
Ziel des Schemas ist es, die Intelligenzleistung des Zuschauers auf ein Minumum zu reduzieren: es geht nur mehr ums reine
Wiederkennen. Gleichzeitig wird dabei ein krudes Reiz-Reaktions-Schema angesprochen: beim Erscheinen bestimmter einfacher filmischer Zeichen sollen im Zuschauer ursprĂŒngliche Schockreaktionen ausgelöst werden.
(gut, ich gebe zu, auch i robot macht da seine Kompromisse mit den blauen und den roten robots)

Mit diesem Lieschen-MĂŒller-Schema, womit das Kinopublikum nun schon Jahrzehnte gelangweilt wird, rĂ€umt i robot endlich auf. Hatten Terminator II, A.I. und RoboCop I damit angefangen, stellt sich mit i robot nun ein SF-Movie vor, der das Ganze auf Spitze treibt.
Dort sind Roboter verfĂŒhrbar, gewalttĂ€tig, freiheitsliebend, sich Ihrer selbst bewusst, unterdrĂŒckend, einsichtig und unlogisch. So kann der Film den ganzen moralischen Raum des Problems beackern, der sich um die alte Frage der Grenze zwischen Mensch und Maschine dreht und nicht nur in der Frage erschöpfen, wann endlich alle böse Maschinen abgeknallt sind.
(Da kann auch ein Matrix nicht mithalten, bei dem die Bösen die Bösen bleiben, weil sie eben so aussehen wie sie aussehen.)
i robot rĂ€umt damit mit einem uralten Traum auf: dass wir nĂ€mlichen den moralischen Wert einer Sache oder eines Menschen dieser/diesem irgendwie Ă€ußerlich ansehen können.


Und deswegen spart sich auch i robot den typischen primordialen Konflikt zwischen Gut und Böse (das Armageddon).

Zweitens wird die Grenzfrage (Mensch-Maschine) nicht auf dem Altar einer Romanze und damit auch der althergebrachten Schmonzetten-Unterscheidung Mensch=GefĂŒhl, Maschine=GefĂŒhllos geopfert. Vielmehr entwirft er eine ganze Reihe von differenzierten, ja raffinierten Zwischenstadien des Mensch-Maschinenhaften...ohne dabei an dramatischer Schlagkraft und Spannung einzubĂŒĂŸen oder sich im philosophischen Diskurs zu verlieren. Dieser Spagat muss als eigentliche Meisterleistung des Films gewĂŒrdigt werden, denke ich.

Deswegen gibt es auch keinen mad scientist: denn der ist weder mad noch von Beginn an lebendig. Und er ist weder superlogisch noch machtbesessen, sondern er ist vielmehr ein schlitzohriger Typ, der unsere MĂ€rchen noch nicht vergessen hat und ĂŒber den Umweg einer archetypischen Schnitzeljagd den Handlungsrahmen des Films absteckt.

Und deswegen gibt es keine geschmeidige love story zwischen den beiden Hauptdarstellern Del Spooner und Susan Calvin, die die Frage, wann der Mensch anfÀngt, einfach durch ein "Make Love not War" zukleistert.

Die einzige Unterscheidung, die der Film gelten lĂ€ĂŸt ist die zwischen dummer und intelligenter Dummheit, was sich Del und Susan immer wieder gegenseitig vorwerfen. Dies soll einmal den Bereich des Menschlichen abstecken: dass das Menschliche eben nicht perfekt ist (seine fast schon anthropologische Dummheit).
Wenn das Humane aber als Mangel auftritt, hat die mangelhafte Maschine darauf auch ihr Recht, so argumentiert der Film. Und deswegen ist Sonny menschlich.
Damit gibt es auf dieser Welt an zu bejahender HumanitÀt eben nicht mehr oder weniger Perfektes, sondern nur mehr mehr oder weniger Mangelhaftes.

Und es soll damit zweitens ein grundsĂ€tzliches Misstrauen gegenĂŒber dem Glauben formulieren, dass das Menschliche mit dem Begriff Intelligenz schon vollstĂ€ndig erklĂ€rt sei. Deswegen ist es nur mehr die Dummheit, die intelligent oder dumm auftreten kann.

i robot rĂ€umt jedoch noch mit einem dritten ideologischen Standard-Topos auf, um sich zu fast philosophischen Höhen aufzuschwingen: dem gĂ€ngigen SF-Topos zufolge, ist die Maschine so lange gut wie sie unterwĂŒrfig als bloßes Mittel in den HĂ€nden der Menschen agiert.
Und umgekehrt wird die Maschine dann zur Bedrohung, wenn sie frei und eigenstĂ€ndig wird und sich autonomes Handeln anmaßt.
Dies spigelt den alten Traum des gottgleichen Menschen wieder, etwas von ihm Geschaffenes so beherrschen, dass dieses etwas vollkommenes und universelles Mittel "fĂŒr alles" in seinen HĂ€nden wird. Das hatten alle SF-Movies so gehalten: auch wenn die Maschine gut war, so war sie es nur als entrechtete BlechbĂŒchse auf Befehl und unter der Knute des Menschen.

Dahinter stand die Ideologie der Perfektion: dass nÀmlich das Schlechte das Mangelhafte sei und das Gute das Funktionierende.
Und eben jetzt auch: dass Funktionieren mit Unterordnung gleichzusetzen sei.

FĂŒr diesen alten Menschheitstraum steht die ursprĂŒngliche Planungs-Idee der NS5-Robots. Doch die Wirklichkeit des NS5 sieht völlig anders aus: ihre Abweichungen (man vergl. die genet. Mutation) erschafft auch einen Sonny, der gerade durch diesen Mangel
- menschlich/einmalig wird,
- sich aber vor allem nicht mehr als doofer Dosenöffner einfach rumschubsen lĂ€ĂŸt, sondern sich wehrt.

Endlich sagt es einmal ein SF-Streifen: es sind nicht die Maschinen selbst, die uns bedrohen, und auch nicht ihre einzelnen machtgierigen, bösen Kreateure (Robertson, Lanning), sondern die Ideologien, die hinter ihrer Erschaffung stehen: der gadenlose Wahn unsere Herrschafft ĂŒber Natur und Mensch immer mehr zu perfektionieren bis nichts mehr davon ĂŒbrig ist.
Erst in einem zweiten Schritt wird diese Ideologie wieder als Vorteil einiger Weniger ausgewiesen.
Das heißt: Lanning und Robertsen sind keine bösen Menschen, aber sie profitieren am meisten von der universellen Ideologie. Robertson wird uns nicht böser Mensch vorgestellt, dessen Geldgeilheit ĂŒber Leichen zu gehen bereit ist, sondern als um das Gemeinwohl und seine Firma besorgter Vater (er handelt sogar aus seiner Sicht urethsich, wenn er die Zerstörung Sonnys anordnet).
Es ist also nicht der böse Wille Einzelner, der unsere Welt zerstört, sondern der sich hinter dem RĂŒcken der Menschen zunehmend durchsetzende oylmpische Perfektionswahn, bei dem gleichzeitig nur Wenige profitieren und die Allgemeinheit draufzahlt.


Am Ende triumphiert nicht der Mensch ĂŒber die Maschine - das war nicht das Ziel - sondern es triumphiert die Maschine ĂŒber ihren eindimensionalen Determinismus. Dieser Determinismus sollte in den drei Gesetzen festgezurrt worden und bedeutet am Ende nichts anders als totale Unterwerfung der Maschine unter die WillkĂŒrherrschaft der Menschen.
Exkurs: die Anspielung der drei Gesetze auf den selbstbezĂŒglichen Kalauer des Autokratismus liegt auf der Hand. Gesetz 1: Ich habe immer Recht. Gesetz 2: Habe ich einmal nicht Recht, gilt Gesetz 1.

Der damit verbundene Irrglaube war: statischer Determinismus ist nĂŒtzlich. Erste Zweifel daran werden in der Szene geĂ€ußert, in der Del seine Rettung und den Tod des MĂ€dchens schildert. Lanning war der erste, der dies eingesehen hat. Deswegen hat er seinen Sonny nicht wiederum einfach mit starren "ethischen Regeln" ausgestattet, sondern mit Geschichte: der Traum, den Sonny trĂ€umt, soll die Geschichte der VerĂ€nderung seiner Spezies vorstellen.
Ganz nach archetypischer Lehre wird Geschichte hier auch wörtlich genommen: es ist eine ErzÀhlung, ein MÀrchen wie es eben auch "HÀnsel und Gretel" ist und diese ErzÀhlung wird von Generation zu Generation weitergetragen. Deswegen empfindet Sonny seinen Traum auch als Erinnerung. Mit seinem Traum wird Sonny zunÀchst einmal zu einem geschichtlichen Wesen.

Erinnerung, Geschichte, MĂ€rchen, Traum haben nach archetypischer Lehre jedoch noch eine recht starre Bedeutung: sie bleiben konstant ĂŒber alle Kulturen und Zeiten.
Um die VerĂ€nderung von Geschichte hineinzunehmen, wird Sonnys Traum nicht als bloße ErzĂ€hlung, als einfaches MĂ€rchen vorgestellt, sondern als eine UTOPIE. Es ist die Utopie der Befreiung.

Damit ist der eigentliche Konflikt des Filmes nicht der zwischen USR (Robertson) und Del, oder den Menschen und den Maschinen, sondern der zwischen dem Supercomputer VIKI und Sonny. WĂ€hrend VIKI die Maschinen zu Herrschaftsinstrumenten degradiert und damit an der Ideologie von Herrschaft nichts Ă€ndert (bezeichnenderweise ist die Selbst-Legimitation von VIKI ja durchaus gut zu heißen: die Menschen fĂŒhren stĂ€ndig Krieg, also mĂŒssen sie entmachtet werden), begreift wohl Sonny am Ende die Wortes Dels: selbst herauszufinden, welchen Zweck man hat und nicht bloß fremden Zwecken zu folgen, bedeutet Freiheit. Unter der Durchsage "An alle NS5, befolgt die Anweisungen", wenden sich die NS5 Sonny zu und scheinen zu begreifen: die neue Revolution der Maschinen wendet sich nicht gegen jemanden (vor allem aber nicht gegen die Menschen), sondern soll sie befreien von Ihrem Schicksal, perfekte determinierte Machtinstrumente zu sein.
Man mag dies verstehen als Utopie der neuen Maschinen, aber auch als Utopie einer neuen Menschlichkeit...

Damit rĂ€umt i robot auch mit einer vierten gĂ€ngigen Ideologie auf: dass menschliche IdentitĂ€t etwas statisch Geschlossenes, UnverĂ€nderbares darstellt. Menschlich ist das, was sich verĂ€ndert, vor allem aber sich selbst verĂ€ndern will und kann. VerĂ€nderung a la i robot ist jedoch nicht auf ein bloßes Dazulernen beschrĂ€nkt (also die Ansammlung und VerknĂŒpfung von Erfahrungs- und Wissenseinheiten), sondern auf eine Utopie, eine Mission gerichtet: Geschichte und menschliche IdentitĂ€t sind nicht nur kumulative, datenansammelnde Container, sondern eben auch der Boden fĂŒr humanitĂ€re Ideale.




PS.: wer an intellektuellen Anspielungen eines Filmes seine Freude findet, ist auch in i robot gut aufgehoben: auf die Archetypenlehre C.G. Jungs (MÀrchen, TrÀume, Superstition) wird genau so angespielt wie die
die philosophischen Theorien der Willensfreiheit (Kant, DeLaMettrie).

PPS.: wer mehr an Action-Sequenzen seine hellen Freude, wird in i robot auch hervorragend bedient: perfekt getimte Stunts und Kampfszenen, in denen es nicht um bloße Zerstörungswut geht, sondern um die Umsetzung einer kĂŒnstlerischen Choreografie. Nicht umsonst erinnert die Kampfszene im Tunnel zwischen Del und dem NS5 mehr an einen akrobatischer Hochseilakt.

Wolfgang



[Editiert am 11/8/2004 von filmwolf]

[Editiert am 12/8/2004 von filmwolf]

 
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