Zusammen
(Tillsammans) Schweden 2ooo Regie: Lukas Moodysson
The future. Together. Und wie!
»The Future. Together. Now.« Hauptsache AXA-versichert, verkündet die Werbung im Filmvorspann. Doch um diese Zukunft geht es in »!Zusammen!«, unter der Regie von Lukas Moodysson nun wirklich nicht. Ein schwedischer Film, der viel zu wenig beachtet wurde.
Inhalt
Weil ihr Mann schon wieder gewalttätig gegen sie geworden ist, verlässt Elisabeth (Lisa Lindgreen) mit ihren beiden Kindern 1975 die eheliche Wohnung und zieht zu ihrem in einer Kommune lebenden Bruder Göran (hervorragend gespielt von Gustaf Hammarsten!). Und in dieser Kommune – argwöhnisch von den Nachbarn beäugt – spielt sich fast alles ab, was die sanfte bis weniger sanfte Rebellion der 68er Generation ausmachte.
Göran und seine Freundin Lena (Anja Lundvist) spielen freie Liebe, es wird kein Fleisch gegessen, Cola ist verpönt, weil sie ein Produkt eines multinationalen Konzerns ist. Anna (Jessica Liedberg) und Lasse (Ola Norell) haben sich getrennt, Anna wird »aus politischen Gründen«, wie Lasse behauptet, lesbisch, während er selber sich zur Homosexualität verführen lässt. Ein anderes Kommunemitglied ist Mitglied einer kommunistischen Partei, dem die Diskussion über die Revolution wichtiger ist als irgendeine Art von privater Beziehung. Selbst Pippi Langstrumpf wurde aus dem Haus der Kommune verbannt, weil sie angeblich nur ans Geld gedacht hat und deshalb auf »die andere Seite« gehört.
Doch das gemeinsame Leben der Kommune ist nicht einfach. Göran, immer auf ausgleichende Gerechtigkeit und Vermittlung aus, hat selbst eine Mordsgeduld mit seiner Lena, die mit dem Marxisten schläft und ihm dies – frei wie sie zu glauben scheinen – auch noch vorher ankündigt, während er selber nur mit Lena zusammen sein wollte. Bis ihm der Kragen so richtig platzt, »seine« Lena aus dem Haus schmeißt, und hinterher ein schlechtes Gewissen bekommt. Lena ruft Mama an und weint ins Telefon: »Ich will wieder heim.« Auch der Kommunist fühlt sich nicht mehr wohl in der Kommune, denn im Grunde will niemand von seiner kommunistisch-marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei etwas wissen.
Die Kinder müssen lange Zeit selbst sehen, wie sie mit dieser Situation zurecht kommen, sind anfangs auf sich allein gestellt.Elisabeth dagegen fühlt sich wohl, freundet sich mit Anna an, die es aber nicht schafft, sie »rumzukriegen«, während ihre Kinder unter der Trennung von ihrem Vater, Rolf (Michael Nyqvist), leiden. Der – er hat dem Alkohol inzwischen abgeschworen – macht einen erneuten Versuch, sich mit Elisabeth zu versöhnen ...
Fazit
Der Film gibt das Lebensgefühl der 70er Jahre (in Schweden) überzeugend wieder. Da ich selber in dieser Zeit groß geworden bin, kann ich dies nur bestätigen – zumindest was einen großen Teil der Jugend, vor allem in den Städten, angeht. Auch hier in Deutschland dachten und handelten viele Jugendliche so, wie im Film – dort allerdings teils in satirischer Verpackung – dargestellt. Es gab sie, die Marxisten-Leninisten, die in ihrer Rebellion gegen die Väter und Mütter der Nachkriegsgesellschaft, in ein anderes Extrem fielen und alles auf einmal und radikal über den Haufen schmeißen wollten, ohne zu differenzieren. Und sie landeten bei einem Denken und bei Verhaltensweisen, die sie ursprünglich kritisiert hatten. (Ich gehörte selbst einmal einer solchen ML-Partei an und weiß, von was ich spreche.)
Und es gab die, die kein Fleisch mehr aßen, anfingen, gegen eine völlig überzogene Fortschritts-Euphorie zu protestieren, die jeden wissenschaftlich-technologischen Fortschritt als Fortschritt für das Zusammenleben von Menschen ausgab – aus diesem Kreis der Fortschritts-Kritiker sind ja dann auch die »Grünen« entstanden.
Die 68er-Generation war eine rebellierende Jugend. Und jede Rebellion hat es so an sich, dass sie einerseits den Finger tief in die Wunden einer Gesellschaft hält, gleichzeitig aber auch ihren Protest überzieht. Moodysson gelingt es in seinem Film, dies zu verdeutlichen, und vor allem: Aus der Kommune mit ungeklärten Verhältnissen und abstrusen Ideen wird zum Schluss eine WG, wie man sie sich nur wünschen kann. Moodysson vermeidet in seinem Film jegliche Verurteilung. Niemand wird an den Pranger gestellt, selbst der schlagende Ehemann nicht. Und noch etwas überzeugt in diesem Film: Er zeigt – ohne unnötiges Pathos oder Idealisierung –, wie sich Menschen entwickeln können. Man kann über die verschiedenen Charaktere lachen, und trotzdem kann man sie ernst nehmen.
Der Film ist aber nicht nur einer über die 70er Jahre. Er gibt auch uns heute Anlass darüber nachzudenken, wie wir mit anderen umgehen, wo wir überzogene Ansprüche an andere stellen, wo wir unrealistisch sind. Gerade Göran – im Film eine Integrationsfigur für die ganz Gemeinschaft – vertraut, trotz eigener Fehler, immer darauf, dass das Experiment gelingen kann. Er lässt nicht davon ab, weil er das Vertrauen hat, dass sich die Spreu vom Weizen trennen wird, und etwas Positives zurückbleibt.
© Ulrich Behrens 2002 – veröffentlicht zuerst in: www.ciao.com (unter dem Mitgliedsnamen Posdole)
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hinzugefügt: May 17th 2002 Autor: Ulrich Behrens Punkte: zugehöriger Link: IMDb Hits: 7463 Sprache: deu
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