Spacked out
(Mo yan ka sai), Hong Kong 2ooo, Regie: Lawrence Ah Mon
Spacked Out - Regie: Lawrence Ah Mon (alias Lau Kwok-cheung) - wirkt wie ein typischer Genrefilm über verlorene Jugendliche. Der Film zeigt Szenen aus dem Leben von vier Mädchen, die in Tuen Mun leben, einer Satellitenstadt in den Neuen Territorien Hong Kongs, und sich am Rand der Kriminalität bewegen. Außerhalb der Schule führen sie ein aktives Leben am Rande der Gesellschaft, das sich um Shopping Malls, Karaoke, Drogen und One-Night-Stands dreht. Spacked Out romantisiert diese launischen jungen Frauen allerdings nicht. In dieser Hinsicht stellt er ein erfrischend und pointiert kritisches Gegenstück zu den männlich orientierten Jugendfilmen der späten 1990er dar.
Der Stil des Films ist rau und ungeschliffen, mit vielen ruckartigen, handgeführten Kamerabewegungen, scheinbar improvisierten Dialogen, Videosequenzen und häufigen abrupten Schnitten. Er wechselt in einer Hong Kong typischen, ganz eigenen Art zwischen rauem, “ehrlichem” Neorealismus und überhöhten, hyperstilisierten Ausflügen in die Subjektivität der Charaktere (mehr über diesen hybriden Stil ist in dieser Filmbesprechung zu Little Cheung zu finden).
Die vier Hauptfiguren von Spacked Out werden alle von Schauspiel-Neulingen gespielt; Lawrence Ah Mon hat sie zu beeindruckend lebendigen, spontan wirkenden Darstellungen inspiriert, die den Film wirklich tragen und 'verkaufen'. Bean Curd (Maggie Poon) sticht dabei heraus. Tough und voller Aggressivität, mit rasiertem Kopf, ist sie überfürsorglich zu ihrer Freundin Sissy. Letztere übernimmt die weibliche Rolle des Paars und ist außerdem geschickt darin, Kosmetikartikel zu klauen, während sie sich mit ihren Freundinnen übers Handy unterhält. Banana, die während des Schulunterrichts mehr oder weniger diskret Telefonsex verkauft, strahlt eine erfahrene, aber auf traurige Weise weltkluge Sexualität aus - sie ist mit 16 bereits Abtreibungsexpertin.
Cookie ist das Herz des Films, seine Erzählerin und das jüngste der Mädchen. Sie ist introvertiert, einsam und verloren und scheint sich dessen schmerzlich bewusst zu sein. Der sparsame Handlungsfaden des Films (es handelt sich eigentlich um eine lose strukturierte Aneinanderreihung von Szenen) verbindet die Lücken in ihrem Leben, in dem Jungs, Eltern, Ambitionen und Selbstwertgefühl merklich fehlen.
Der Film übernimmt Cookies Perspektive in der ersten Person, wenn er zum Ende hin in eine Reihe albtraumhafter, aus dem Horrorgenre bezogener, surrealistischer Bilder übergeht, in denen sie eine Abtreibungsklinik betritt oder sich vorstellt, diese zu betreten. Regisseur Ah Mon kann sich jedoch zwei ziemlich plumpe Belehrungen nicht verkneifen: Er moralisiert über die Verantwortung abwesender Eltern und zeigt eine Drogentripsequenz, die in ihrer albtraumhaften Auflösung als eine Art öffentlicher Aufruf konzipiert zu sein scheint (in etwa mit der Aussage: “Kinder, nehmt keine Drogen, oder etwas wirklich Schreckliches wird passieren”).
Diese Szenen wirken hineingekleistert, von außen her aufgezwungen, und stören den wohlverdienten Sinn für die Autenzität des Films. Darüber hinaus wecken sie beunruhigende Zweifel an der Aussage des Films im Hinblick auf die politische Lage in Hong Kong nach 1997. Ist der Verwaltungsbezirk ebenfalls in Gefahr, weil es an der angemessenen elterlichen Überwachung fehlt? Wie stark soll sich das Publikum von Spacked Out angesichts des Abzugs der ehemaligen Kolonialherren und der ständig in Frage gestellten Autorität der neuen/alten Eltern - der Regierung auf dem Festland - mit der anarchistischen, freien, subversiven Energie der charismatischen jungen Heldinnen identifizieren?
aus dem Englischen übersetzt von Henriette Blaschke, mit freundlicher Genehmigung von Shelly Kraicer @ chinesecinemas.org
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hinzugefügt: April 11th 2002 Autor: Shelly Kraicer Punkte: zugehöriger Link: IMDb Hits: 5866 Sprache: deu
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